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Letztes Update am 8. Mai 2024 von Martin Formann

Neues Cannabisgesetz und Führerscheinfallen

 Nachdem ich einige Anrufe und E-Mails erhalten habe, bei denen ich gefragt wurde, auf was alles geachtet werden sollte um nicht Gefahr zu laufen den Führerschein zu verlieren, habe ich in diese Richtung recherchiert. Dabei bin ich auf einige Führerscheinfallen gestoßen, die sicher kaum ein Konsument auf dem Schirm hat.

 Auch wurde ich häufig gefragt, ob denn der Konsum von Cannabis tatsächlich erlaubt sei. Der Konsum, egal von welcher Droge, war noch nie und ist nach wie vor nicht strafbewehrt. Was verboten ist betrifft den Erwerb, Besitz und die Weitergabe von illegalen Drogen.

 Durch das neue Cannabisgesetz (CanG) wurden Ausnahmen für den Erwerb und Besitz von getrocknetem Cannabis gemacht. Die private Weitergabe ist nach wie vor verboten. Der Verkauf darf nur über entsprechend lizenzierte Cannabisclubs erfolgen. Erlaubt wurde auch der Anbau von bis zu 3 Pflanzen.

 Das neue Cannabisgesetz birgt einige Führerscheinfallen, die es in sich haben. Dazu habe ich auch Video gemacht mit dem Titel

 Cannabisbesitz legal = Führerscheinverlust real

 Das Video verlinke ich am Ende dieses Artikels.

 Es mag sein, dass mir der ein oder andere unterstellt, dass ich mit dem Aufzeigen der Führerscheinfallen zu sehr schwarz male. Kann man so sehen wenn man will. Das sollte aber jeder Einzelne für sich selbst entscheiden. Manche werden diese Fallen ignorieren und manche werden diese berücksichtigen. Wie schon geschrieben, das darf jeder für sich entscheiden.

Führerscheinfallen

 Folgend beschreibe ich einige Führerscheinfallen in Verbindung mit dem neuen Cannabisgesetz, die man kennen sollte.

24a Abs. 2 StVG

Der § 24a ist den meisten Autofahrern als 0,5 Promille-Gesetz bekannt. Dies betrifft allerdings nur den Abs. 1. Entscheidend für das neuen Cannabisgesetz ist der Abs. 2.

Dieser lautet:

Ordnungswidrig handelt, wer unter der Wirkung eines in der Anlage zu dieser Vorschrift genannten berauschenden Mittels im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt. Eine solche Wirkung liegt vor, wenn eine in dieser Anlage genannte Substanz im Blut nachgewiesen wird.

Zu diesen Substanzen gehört auch THC, dem aktiven Wirkstoff  von Cannabis. Der Grenzwert liegt nach wie vor bei 1 ng/ml im Blut. Es wird zwar darüber diskutiert, diesen Grenzwert zu erhöhen und es gibt hierzu auch schon einige Anträge, ob und wann der Wert erhöht wird bleibt abzuwarten.

Ein Problem bei dieser Diskussion ist ein Beschluss des BGH (v. 21.4.2022 – 3 StR

81/22, BA 2022, 355). Diesem ist folgendes zu entnehmen:

 Das Tatbestandsmerkmal „unter der Wirkung“ in § 24a Abs. 2 StVG erfordert zwar keine Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit; es ist vielmehr dann gegeben, wenn eine der Substanzen der Anlage zu § 24a StVG im Blut nachgewiesen ist. Im Hinblick auf eine verfassungskonforme Auslegung der Vorschrift ist es jedoch erforderlich, dass sich die im Blut nachgewiesene Wirkstoffkonzentration in einem Bereich bewegt, der eine Einschränkung der Fahrtüchtigkeit zumindest als möglich erscheinen lässt.

Gerade der letzte Satz impliziert, dass eine Beeinträchtigung sicher ausgeschlossen werden muss. Wenn also einer von einhundert Probanden bei einer Untersuchung eine Beeinträchtigung bei 1 ng/ml aufweist, wäre dieser Grenzwert berechtigt. So sieht es zumindest der BGH. Das ist letztlich auch der Grund dafür, dass sich die Grenzwertkommission für diesen Wert entschieden hat.

Bei Alkoholkonsum kann der Abbau relativ genau berechnet werden, so dass man sich nach einer gewissen Zeit sicher sein kann, nicht mehr unter Alkoholeinfluss zu fahren. Bei THC-Konsum ist das nicht möglich. Die im Internet angegebenen Abbauzeiten sind mit äußerster Vorsicht zu betrachten.

Um wirklich sicher zu gehen, weniger als 1 ng/ml THC im Blut zu haben, sollte man 18 besser noch 24 Stunden warten, bevor man mit einem Kraftfahrzeug fährt. Natürlich kann es auch sein, dass schon 6 Stunden nach dem Konsum der Wert unterschritten wird. Es kann sein, muss aber nicht.

Wer also morgens zur Arbeit fährt, am Abend zuvor konsumiert hat und dann kontrolliert wird, läuft Gefahr über dem Grenzwert zu liegen und somit eine Ordnungswidrigkeit zu begehen. Diese Ordnungswidrigkeit wird dann der zuständigen Führerscheinstelle mitgeteilt. Diese veranlasst nun die Überprüfung der Fahreignung, wenn die festgestellten Werte entsprechend hoch sind. Es wird dann ein fachärztliches Gutachten und / oder eine MPU gefordert, oder die Fahrerlaubnis gleich entzogen, wenn entsprechend hohe Werte festgestellt wurden. Ab welchen Werten, dies gilt für THC und dem Abbauprodukt THC-COOH (auch als Carbonsäure angegeben), eine Überprüfung gefordert werden kann oder sogar muss, ist noch unklar.

Regelmäßiger Konsum

Bisher war es so, dass laut Fahrerlaubnisverordnung (FeV) ein regelmäßiger Cannabiskonsument ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen war. Die Anlage 4 zur FeV wurde dahingehend geändert, dass der Begriff „regelmäßiger Konsum“ gestrichen und durch den Begriff „Missbrauch“ ersetzt wurde. Derzeit gibt es aber noch keine klaren Anhaltspunkte, ab welchen Daten, die der Fahrerlaubnisbehörde vorliegen, der Verdacht auf Missbrauch gerechtfertigt oder sogar bestätigt ist.

Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass Hinweise auf einen regelmäßigen Cannabiskonsum den Verdacht auf Missbrauch begründen können und somit eine Grundlage zur Überprüfung der Fahreignung bilden.

Neu hinzugekommen ist auch der § 13a FeV

§ 13a Klärung von Eignungszweifeln bei Cannabisproblematik

Zur Vorbereitung von Entscheidungen über die Erteilung oder Verlängerung der Fahrerlaubnis oder über die Anordnung von Beschränkungen oder Auflagen ordnet die Fahrerlaubnisbehörde an, dass

  1. ein ärztliches Gutachten (§ 11 Absatz 2 Satz 3) beizubringen ist, wenn Tatsachen dieAnnahme von Cannabisabhängigkeit begründen, oder
  2. ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen ist, wenn
    a) nach dem ärztlichen Gutachten zwar keine Cannabisabhängigkeit, jedoch Anzeichen für Cannabismissbrauch vorliegen oder sonst Tatsachen die Annahme von Cannabismissbrauch begründen,
    b) wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Cannabiseinfluss begangen wurden,
    c) die Fahrerlaubnis aus einem der unter den Buchstaben a und b genannten Gründen entzogen war oder
    d) sonst zu klären ist, ob Cannabismissbrauch oder Cannabisabhängigkeit nicht mehr besteht.

Ein Rückschluss auf Missbrauch kann aus Aussagen des Betroffenen gezogen werden, wenn dieser z. B. bei einer Polizeikontrolle Angaben macht, die auf regelmäßigen Konsum schließen lassen.

Auch aus den bei einer Blutuntersuchung festgestellten Werten kann ein Rückschluss gezogen werden. Neben dem aktiven THC wird bei einer Blutuntersuchung auch das Abbauprodukt THC-COOH, auch als Carbonsäure angegeben, ermittelt. Liegt dieser Wert bei ≥ 75 ng/ml, besteht der Verdacht auf regelmäßigen Konsum. Dies führt zu einer Überprüfung der Fahreignung. Ist der Wert ≥ 100 ng/ml kann die Fahrerlaubnisbehörde auf regelmäßigen Konsum schließen und die Fahrerlaubnis entziehen.

THC-COOH reichert sich im Fettgewebe des Köpers ab und wird nach und nach freigegeben. Grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass bei schlanken Personen weniger und bei fettreicheren Personen mehr eingelagert wird. So richtig verlässlich ist das aber auch nicht. Es scheint sehr individuell zu sein. Wer 3 – 4 Mal die Woche konsumiert, kann durchaus auf einen Wert von ≥ 75 ng/ml kommen, muss aber nicht. Wer abends zwei Joints raucht hat auch gute Chancen, diesen Wert am nächsten Tag zu erreichen.

Wird bei einer Kontrolle ein entsprechender Wert festgestellt, auch wenn der aktive THC-Wert unter 1 ng/ml lag, kommt man auch in den „Genuss“ einer Überprüfung der Fahreignung. Je nach Konsumintensität kann der Wert auch noch einige Tage nach dem letzten Konsum zu hoch sein.

Aus einer verlässlichen Quelle weiß ich, dass sich bundesweit die Polizei auf entsprechende Kontrollen vorbereitet. Sobald der Verkauf über die Cannabisclubs startet, werden die Kofferräume der Polizeifahrzeuge mit Schnelltests gefüllt. Es ist dann wahrscheinlich, dass sehr intensiv, gerade in den Morgenstunden, kontrolliert wird.

Im neuen Cannabisgesetz ist auch folgender Passus zu finden (§ 26 Abs. 2):

Anbauvereinigungen haben die Aufzeichnungen der Angaben nach Absatz 1 fünf Jahre aufzubewahren und der zuständigen Behörde auf Verlangen elektronisch zu übermitteln.

Anbauvereinigungen haben der zuständigen Behörde zum Zweck der Evaluation nach § 43 jährlich bis zum 31. Januar die im vorangegangenen Kalenderjahr dokumentierten Angaben nach Absatz 1 anonymisiert elektronisch zu übermitteln.

Folgende Daten müssen von den Cannabisclubs über ihre Mitglieder erhoben werden:

Name, Vorname und Geburtsjahr jedes Mitglieds, an das Cannabis weitergegeben wurde, sowie die folgenden Angaben zu dem weitergegebenen Cannabis:

a) Menge in Gramm,
b) durchschnittlicher THC-Gehalt,
c) Datum der Weitergabe,

Es ist davon auszugehen, dass auch diese Daten zum Zweck der Evaluation anonymisiert weitergegeben werden.

 Wenn sich aus den anonymisiert elektronisch übermittelten Daten Hinweise ergeben, dass es sich bei bestimmten Personen um regelmäßige Konsumenten handelt, kann man sich ganz ganz sicher darauf verlassen, dass bei diesen Personen die Anonymität niemals nicht aufgehoben wird. „;-)“

 Besitz einer erlaubten Menge

 Auch über den Besitz einer erlaubten Menge kann die Fahrerlaubnisbehörde Rückschlüsse auf regelmäßigen Konsum herstellen und die Fahreignung überprüfen. Erlaubt ist das Mitführen von bis zu 25 gr. außerhalb der eigenen Wohnung. In der Wohnung dürfen bis zu 50 gr. aufbewahrt werden.

 Aus einem gr. ergeben sich zwischen 2 und 4 Konsumeinheiten. Bei 25 gr. währen das schon 50 bis 100 Konsumeinheiten, was zweifelsfrei auf einen regelmäßigen Konsumenten schließen lässt. Zumindest bestünde für die Fahrerlaubnisbehörde der berechtigte Verdacht auf regelmäßigen Konsum, was zu einer Überprüfung der Fahreignung führt, sofern damit der Verdacht auf Missbrauch begründet werden kann.

Eigenanbau von Cannabis

 Das gleiche Problem wie bei dem Besitz einer erlaubten Menge, kann sich durch den Eigenanbau ergeben. Es dürfen bis zu 3 Pflanzen angebaut werden. Der Ertrag einer Pflanze hängt dabei stark von der Sorte und den Anbaubedingungen ab. Man kann davon ausgehen, dass eine Pflanze einen Ertrag von 30 gr. bis 150 gr. bringen kann. D. h., mit einer Pflanze kann schon die erlaubte Menge von 50 gr. überschritten werden. Dies würde zu einem Bußgeldbescheid führen und der Mitteilung an die Fahrerlaubnisbehörde.

 Jetzt werden einige glauben, dass die Entdeckungswahrscheinlichkeit sehr gering ist. Das ist schon richtig. Sie sollten daher vermeiden, es sich mit Lebenspartner, den Freunden oder dem Nachbarn zu verscherzen. Pro Jahr habe ich ein bis zwei Kunden, bei denen der Konsum oder Besitz durch einen vergraulten Lebenspartner oder Freund, zur Anzeige gebracht wurde. Auch bei Unterhalts- und Sorgerechtsstreitigkeiten wird die Kenntnis über Konsum und Besitz gerne als Druckmittel benutzt.

 Interessant ist auch, dass selbst vertrocknete Pflanzen zu einem Überschreiten der erlaubten Menge führen können. Vertrocknete Cannabispflanzen können als Rauchgift zählen. Das wird zwar heiß diskutiert, kann aber zu einem Problem führen. Vor ein paar Jahren hatte ich einen Fall, bei dem 2 vertrocknete Pflanzen auf dem Dachboden der Garage gefunden wurden. Es war die Exfrau, die die Polizei darauf hingewiesen hatte. Es wurde das Gewicht der kompletten Pflanzen gewogen und der THC-Gehalt bestimmt. Da die Pflanzen schon abgeerntet waren, war der THC-Gehalt so niedrig, dass es keine strafrechtlichen Konsequenzen gab, aber eine Mitteilung an die Führerscheinstelle. Diese hat wiederum nur die entsprechend hohe Menge bewertet und als Anlass für die Überprüfung der Fahreignung herangezogen. Diese Überprüfung hätte man zwar rechtlich angreifen können, was aber praktisch, zumindest in diesem Fall, wenig zielführend gewesen wäre.

Fazit

 Um die Gefahr zu vermeiden seinen Führerschein zu verlieren, sollte man sich mit den von mir geschilderten Führerscheinfallen in Verbindung mit dem neuen Cannabisgesetz und den Änderungen in der FeV auseinander setzen.

 Solange es keine verwaltungsrechtlichen Urteile gibt, ab wann eine Fahrerlaubnisbehörde von einem Cannabismissbrauch ausgehen kann, sollte vermieden werden, Verdachtsmomente auf einen regelmäßigen Konsum aufkommen zu lassen.

Video: Cannabisbesitz legal = Führerscheinverlust real

Hier das Video, in dem ich über die Führerscheinfallen mit Bezug auf das neue Cannabisgesetz berichte.

Anleitung zur MPU Vorbereitung „Drogen“

Die Anleitung ist entsprechend dem neuen Cannabisgesetz und den Änderungen in der Fahrerlaubnisverordung überarbeitet worden und steht ab dem 08.05.2024 zu Download bereit.

Weitere und ausführliche Informationen zu der Anleitung finden Sie hier:

MPU Idiotentestfragen Drogen